Da gehts hin! Ins wunderschöne Timisoara, eine Stadt im Westen Rumäniens.
Da gehts hin! Ins wunderschöne Timisoara, eine Stadt im Westen Rumäniens.

 

 

Rumänien jenseits von Stereotypen

Was willst du denn im Osten? 

Dieser Reaktion, verpackt in leicht variierenden Plattitüden, muss sich wohl jeder Freiwillige stellen, der verkündet, ein Jahr nach Rumänien zu gehen - also in den Osten.

Kurz darauf beginnt mein Gegenüber weitere Schätze aus seiner Kiste an Vorurteilen hervorzukramen, es ist eine tiefe und dunkle Kiste.

Wir spielen Klischeebingo, die Gewinner sind in der Regel gleich: Dracula, Straßenkinder und Ceaușescu.

Grau, kitschig, Mitteleuropa in arm und selbst mit Fotobearbeitung nicht exotisch genug für die Selbstvermarktung auf Instagram – diesen Eindruck gewinnt man/frau in Gesprächen mit Deutschen, denen Rumänien höchstens aus dem RTL II Nachmittagsprogramm bekannt ist.

Fragen wir mal den seriösen Teil des Internets:

„Rumänien ist eine semipräsidentielle Republik im Grenzraum zwischen Mittel- und Südosteuropa. Das Land liegt am Schwarzen Meer […]“.

…und leider ist Wikipedia eine echte Schlaftablette und topographische Lagebeschreibungen sagen  wenig aus über den Charakter eines Landes.

Deswegen erhaltet Ihr von mir den ersten Rumänien-Crashkurs in Form eines ABCs – der verzweifelte Versuch, diesem Land jenseits von Stereotypen zu begegnen.

Viel Spaß! 

 

Autos sind in der dünn besiedelten Idylle dein bester Freund, auch wenn der Fahrstil einiger Besitzer mich als Westeuropäerin ins Schwitzen bringt. Allerdings sind die Gefährte auf Gummireifen nicht das einzige Fortbewegungsmittel für alle Fälle, denn auf dem Land ist der Pferdewagen mindestens so fancy wie dein PKW. 

Bukarest ist die wunderschöne Hauptstadt Rumäniens und hat beinahe zwei Millionen Einwohner – im Vergleich dazu ist das internationale Timişoara ein provinzielles Nest. 

Constanța heißt die bekannteste Hafenstadt des Landes, gelegen an den weißen Stränden des Schwarzen Meeres und bedeutender Touristenmagnet.

Demographisch betrachtet ist Arbeitsmigration ein verheerendes Problem Rumäniens, denn etwa 2,5 Millionen junge Menschen arbeiten im Ausland, da die Löhne nicht zur Existenzsicherung ausreichen. Ich habe bereits einige Sozialarbeiter getroffen, die aus finanziellen Nöten in ihrem Urlaub nach Deutschland fahren und arbeiten müssen. Diese 1000 Euro sind hier ein kleines Vermögen und unverzichtbar für die Familien – nur um mal die Verhältnismäßigkeit von Löhnen aufzuzeigen.

Europäische Union kann Rumänien seit 2007 auch!

Familiäre Bande spielen in Rumänien eine große Rolle wie das Sprichwort „Sângele nu se face apă.“ beweist – das deutschsprachige Pendant wäre wohl „Blut ist dicker als Wasser“. 

Gerade Zahlen sind nicht nur aus ästhetischer Sicht minderwertig, sondern ein absolutes No-Go, wenn du Blümchen verschenkst. Falls du eingeladen bist, bringst du besser ein Blumenstrauß mit  ungerader Anzahl mit,  wenn du nicht den Eindruck erwecken willst, du wurdest zu einer Beerdigung eingeladen.

Hunde, die auf der Straße leben, sind ein stets wiederkehrendes Phänomen in Reiseführern über Rumänien. Tatsächlich habe ich bereits einige Exemplare mit zotteligem Fell, aber lieben Augen getroffen.  

Iași gilt einigen als die „Wiege der rumänischen Kultur“, denn die Unistadt im Osten ist berühmt für ihre Persönlichkeiten und ihren geschichtsträchtigen Werdegang als früheres Zentrum des Donaufürstentums  Moldau.

Johannis heißt der Präsident Rumäniens, beliebt in der Bevölkerung, einstiger Hoffnungsträger und ein Vertreter der Siebenbürgener Sachsen. Leider hat die Realität gezeigt, dass ein einzelner Mann nicht das Ruder rumreißen kann. 

Karpaten – das sind grasbewachsene Gipfel, von denen Wanderer 2000 Meter in die Tiefe von grünen Tälern blicken können, auf denen hin und wieder eine kleine Schafsherde grast. Sie prägen die Natur Rumäniens wie keine andere Landschaft und sind weitestgehend vom Menschen unberührtes Gebiet. 

Leu ist die Währung in Rumänien und nicht der Euro. Der Umrechnungskurs beträgt 

Maisgries explodiert nicht – dieser Meinung waren Intellektuelle zu Zeiten von Nicolae Ceaușescu. In dem zynischen Vergleich der Rumänen mit ihrem Nationalgericht Mămăligă steckt ein Verweis auf die Gutmütigkeit der Rumänen. Die Revolution 1989 zeichnete jedoch ein anderes Bild und so korrigierte man „Maisgries explodiert doch“.

Noroc!“ Statt „Prost!“ Lautet das kleine Wörtchen, das sich die Rumänien nach dem flotten Herunterschütten ihres legendären Schnaps zurufen. 

Orthodox nennt man den Großteil der Kirchen in Rumänien. Folglich erblickst du auf einem Spaziergang häufig alabasterfarbene Bauten mit goldenen Zwiebelkuppeln, die mich an die hübschen Sahnehäubchen auf meiner Mousse au chocolat erinnern.

Proteste und Demonstrationen gegen Amtsmissbrauch und Korruption nehmen in letzter Zeit erheblich zu, auch wenn ich bis jetzt nur in deutschen Zeitungen davon gelesen habe. Tatsache ist, dass der Rumäne dem deutschen Michel in vielem voraus ist.

Quatsch mal nicht so viel! Diesen Satz wirst du selten hören, denn die Rumänen sind ein  geselliges und gastfreundliches Völkchen, das dir stets einen "cafea și prăjitură" anbietet.

Religion spielt übrigens eine besondere Rolle im Alltag, denn 90 Prozent der Bevölkerung  glauben an einen Gott. 

Sprachvielfalt ist status quo. Nicht nur, dass die Jugend perfektes Englisch spricht, unvergleichbar mit meinem eingerosteten Schülerenglisch à la „Now we have the salad!“. Neben Rumänisch sprechen viele Einwohner Ungarisch und Deutsch, zudem gibt man sich gern frankophil und bedankt sich mit einem melodischen „Mersi“.

Telemea findest du hier in jedem Kühlregal oder frisch auf dem Markt. Dieses süße Wörtchen hat nichts mit einem Telefon zu tun, sondern ist der rumänische Käse, vergleichbar mit dem griechischen Feta und mindestens ebenso lecker. Poftă bună!

Unitate ist der rumänische Begriff für Einheit, nicht unerheblich, denn 2018 feiert man am 1. Dezember das 100 jährige Bestehen Rumäniens nach der Vereinigung von Siebenbürgen und dem Altreich!

Vorspeisen sind kein dekadentes Appetithäppchen im Drei-Gänge-Menü, sondern es ist normal  vor der Hauptspeise ein leckeres Süppchen serviert zu bekommen. 

WLAN ist hier kein Glücksfund wie in der Internet-Wüste Deutschlands, wo man hoffnungsvoll das Handy gen Himmel reckt, um dann enttäuscht festzustellen, dass man sich im Funkloch befindet. Sogar in der tiefsten Pampa Rumäniens kannst du deinen Freunden kitschige Bilder von Sonnenuntergängen schicken. 

X gibt’s net. Ce să fac?

Yoghurt und Sahne bieten in Rumänien echtes Potenzial für Verwechslungen und kulinarische Entgleisungen. Denn auch wenn Yoghurt hier „iaurt“ heißt, findest du auch eine Flüssigkeit namens „sahna“ im Kühlregal – leider handelt es sich dabei nicht um 30 Prozent Fett Schlagsahne, sondern einen fettarmen Milchdrink, den du besser nicht für deine Spaghetti Carbonara verwendest. Wenn doch: Pech gehabt! 

Zeit ist hier kein Mangelgut wie in Deutschland, wo jeder Termin akribisch geplant wird. Stattdessen gehört die Akademische Viertelstunde zum guten Ton, was aber nicht bedeutet, dass der rumänische Alltag ein temporales Tohuwabohu ist. 

Ich hoffe, dass ihr euch ein objektiveres Bild von dem Land machen konntet, in dem ich bald ein Jahr leben werde.

Nicht nur Rumänien, sondern auch das Projekt in dem ich arbeiten soll, möchte ich euch vorstellen.

Dir Frage, wo mein Projekt situiert ist, lässt sich leicht beantworten: im wunderschöne Timişoara!

Wo das liegt? 

Schau mal nach oben auf die Karte!

 

Was sind meine Aufgaben und warum bin ich dort? 

Als Freiwillige von Jesuit Volunteers werde ich im Hospiz mitarbeiten und  mich in einen Besuchsdienst engagieren. Das Hospiz wurde 2006 als Projekt des Caritas-Verbands der römisch-katholischen Diözese Temeswar  gegründet, mit dem Ziel, Kranken im Endstadium ihrer Krankheit ein komplexes Betreuungsprogramm anzubieten.

Ziel ist die Erhaltung der maximalen Lebensqualität für die Betroffenen durch eine umfassende Betreuung, welche die individuellen Bedürfnisse der Kranken wahrnimmt.

Hauptpartner in diesem Projekt ist die Kongregation der Töchter des Heiligen Franziskus von Assisi,  unterstützt werden sie dabei vom Jesuitenorden.

Mein offizieller Arbeitsgeber ist also die Caritas.

Du willst mehr über meine Arbeit wissen? Auf meinem Blog berichte ich regelmäßig über meinen Alltag in Temeswar!

 

                      

Aktuelles über Rumänien:

https://www.zeit.de/kultur/2019-01/europaeische-union-eu-ratspraesidentschaft-rumaenien-zukunft?fbclid=IwAR2xoo460_shYqVZ74iWW5eHZ3JNLwkv3qZ7xo8AI-Ob5BVl61vQZ9Ish64

https://www.zeit.de/2019/02/rumaenien-eu-ratspraesidentschaft-korruption?fbclid=IwAR14XLU6HdAWofm9yr6azhzwPCE-gAebh3knymPXsJNd4NnNInUywVOFxMU

https://www.zeit.de/kultur/2018-10/rumaenien-referendum-homosexuelle-verfassung-psd

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/rumaenien-laura-koevesi-entlassung-klaus-iohannis

https://www.zeit.de/2018/47/karpaten-rumaenien-urwaelder-bedrohung