Ich würde alles wieder genauso machen!

 

 

 

Die Kamera klackt und zuckelt in meiner Hand, als ich ein Jahr zurückspule. Ein Jahr in welchem ich von der Bildfläche meines alten Lebens verschwunden bin. Im August 2018 lächelte ein Mädchen ahnungslos in die Linse. Heute lächele ich über mich selbst. Über die naiven Vorstellungen vom Leben im Ausland, Abenteuerlust, meine Ängste vor der Fremde, meine Skepsis gegenüber Rumänien, das akribische Kofferpacken, meine Ernüchterung und die Zweifel an meiner Entscheidung.

 

Zurückblickend war mein Auslandsjahr das Beste, was mir nach dem Abitur passieren konnte.  Es war das Richtige, weil ich doch keine Ahnung hatte, worauf ich mich da einlasse. Nicht weil ich mich selbstverwirklicht habe oder alles perfekt war, sondern weil ich so viel über mich lernen durfte und weil mir meine Mitmenschen gezeigt haben, dass es auf mehr ankommt. Wenn meine Schulzeit ein schwarzer Rahmen ist, dann war darin dieses Jahr ein blütenweiße Blatt Papier. Kommen alle Farben in gleicher Intensität zusammen – das  behaupten zumindest Physiker – mischen sie sich zu weiß. Und so wurde aus einer erwartungsvollen Leere ein Kunterbunt.   Also fuhr ich los,  von Dresden nach Timisoara. Rotz und Tränen heulend. Und dann saß ich plötzlich mit meinen beiden Mitbewohnern in Timisoara und wir fragten uns, was wir hier eigentlich machen und warum wir gekommen sind.  Nach so einem Jahr kann ich dir alles und nichts zu Rumänien erzählen und ich kann dir nicht erklären, welcher der richtige Weg für dich ist. Aber wenn du bereit bist, dem Leben offen zu begegnen und Dinge einfach zu machen, dann solltest du dich auf den Weg weltweits machen,  bevor dich dein Mut verlässt.  Mein FSJ war eines der intensivsten, herausforderndsten und reichsten Jahre meines kurzen Lebens. Ich verspüre heute eine tiefe Dankbarkeit und kann sagen: auch wenn nicht alles perfekt war, ich würde es wieder so machen. Genauso.

 

Die geteilten Momente mit Menschen, die dem Sterben entgegenblicken, haben mich anfangs zutiefst erschüttert, viele Tränen vergießen lassen, wütend und verwirrt zurückgelassen und schließlich von vielen meiner Ängste geheilt. Im Bewusstsein, wie reich beschenkt ich bin, empfinde ich heute mehr Gelassenheit gegenüber dem Leben und Toleranz gegenüber Leuten, die es anders machen als ich. Ich glaube, dass wenn es darauf ankommt, wir viel mehr Mut und Kraft aufbringen können, als wir uns zutrauen. Ich glaube, dass auch wenn das eine Plattitüde ist, der Mensch zählt. Nicht politische Einstellung, nicht Herkunft und nicht die Entscheidungen, die ich nicht getroffen hätte.

 

Ich habe sehr viel über das Leben gelernt und erfahren, dass Sterben mehr als Schmerz und Trauer ist, auch wenn es dazugehört, den Schmerz anderer auszuhalten und die Augen nicht zu verschließen vor dem, was gesunde Menschen so leicht vergessen.  Das Wertvollste und Schönste meiner Arbeit war es, den Leuten meine Zeit zu schenken. Ich habe mir ihr Vertrauen verdient und sie haben mich ohne Vorbehalt angenommen.

 

Meinen Rückweg nach Deutschland habe ich hinter mir. Es war abermals eine Straße voller Tränen und Abschiede. Jedoch mit der Gewissheit, dass aus der Leere, die mir entgegenblickt, ein farbenfrohes Mosaik werden kann.

 

Was ich am meisten vermisse? Ich vermisse meinen Alltag, ich vermisse es, ganz im Moment angekommen zu sein und keine Energie auf Zukunftsängste zu verschwenden.  Mit mir selbst einig zu sein. Dem Leben offen begegnen und Dinge  einfach zu machen.

 

Das Wichtigste, was ich gelernt habe? Du kannst überall glücklich sein. Du wirst an jedem Plätzchen Erde ignorante Leute und liebenswerte Seelen finden und du solltest versuchen, dich letzteren anzuschließen. Es kommt auf dich an, was du aus deinem Leben machst. Nur auf dich. Egal, auf welchem Fleck Erde du lebst.