Belvedere

Hallo, ihr wunderschönen Menschen da draußen!

 

Vor  einem Jahr gab ich meine naive Meinung zum Besten, heute kann ich euch mit weise gewählten Worten zu Rat stehen. Ihr habt mir Fragen geschickt und ich werde euch Antwort stehen. Hier und jetzt!

 

 

Wie hat sich deine Einstellung zu/Sicht auf Deutschland verändert? Siehst du Entwicklungen hier jetzt mit mehr Abstand oder aus einer anderen Perspektive?

 

Also ich fühle mich nach diesem Jahr irgendwie „deutscher“ oder sagen  wir zumindest, ich habe meine deutsche Identität erkannt und verstehe, wie mich meine Heimat in meinem Blick auf die Welt prägt. Ich verstehe, warum die Rumänen Deutschland, aber nicht die Deutschen mögen. Und ich bin mir bewusst,  wie sehr mein Herz an meinem Zuhause hängt. Nach einem Jahr komme ich nicht umhin, mich auch mit den Problemen in Osteuropa zu identifizieren.  Mir erscheint Deutschland heute wie eine andere Welt. Zerstritten, ungleich, rachsüchtig, narzisstisch und kleinkariert. Pluralistisch, vielfältig, mutig, freiheitsliebend, individuell. Angesichts der aktuellen Entwicklungen kommt mir die deutsche Gesellschaft aber vor allem unermesslich hysterisch vor. Hysterisch und im tiefen Inneren um gar keine emotionale Einigung bemüht. Ich bin jetzt nicht konservativ geworden, allerdings schießen manche Diskussionen in Deutschland für mich über das Ziel hinaus. Ich finde viele Diskussionen um offene Grenzen, Gleichberechtigung oder Patriotismus nur frustrierend, weil sie stets nur auf der schmalen Grenze zwischen Rechts und Links geführt werden. Vor allem denke ich aber, dass wir sehr undankbar mit unserer Demokratie umgehen.

 

 

Wirst du nach diesem Jahr noch einmal nach Timișoara zurückkehren?

 

Ich hoffe sehr, dass es nicht bei einem „einmal“ bleiben wird, sondern dass ich es schaffe, die Verbindung mit den Menschen vor Ort zu halten und regelmäßig wiederzukommen. Auch wenn Timisoara nicht mein zweites Zuhause geworden ist, gehört mein Herz den wunderbaren Leuten und den zauberhaften Orten dieser Stadt.

 

 

Und könntest du dir vorstellen, noch mal für ein Jahr nach Rumänien oder in ein anderes osteuropäisches Land zu gehen?

 

Ich könnte mir durchaus vorstellen, für eine gewisse Zeit in Rumänien zu leben. Ich war 2018/19 das erste Mal im Osten Europas und empfinde heute eine starke Sympathie für die Wärme und den unerschütterlichen Humor der Osteuropäer. Es ist eine Gegend, die man erst auf den zweiten Blick zu lieben lernt. Deswegen würde es mich auch in andere Länder ziehen, z.B. zum Erasmussemester nach Budapest( Auch wenn Ungarisch nicht zu den Sprachen gehört, die ich lernen würde. Nem, köszönöm!).

 

 

Würdest du es nochmal genauso machen? Oder etwas ganz anderes?

 

Ich würde es genauso wieder machen. Genauso, weil es mich ja zu der Person gemacht hat, die ich jetzt bin. Und weil ich der Überzeugung bin, dass es genau das war, was ich gewollt und gebraucht habe: ein Jahr mal ganz anders, ein Jahr den roten Stoppschalter drücken.

 

 

Was sagst du dazu, dass es nicht mehr nur Einzelne sind, die sich dieses "freie" Jahr nehmen, sondern fast schon alle?

 

Ich hab keine offiziellen Zahlen, aber die Mehrheit meines sozialen Umfelds hat sofort angefangen zu studieren. Am häufigsten sind wohl noch Freiwillige in Deutschland, die im sozialen Bereich tätig sind. Ich bin aber der Meinung, dass ein FSJ besonders auch für die weltfremden Phlegmatiker, Nicht-Hippies und Karriereschüler perfekt wäre, um einen grundlegenden Respekt zu entwickeln vor Arbeit, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar ist und im gleichen Atemzug als minderwertig bezeichnet wird. Also ich finde das wunderbar! Allerdings sollte man sich vorher sehr gut umsehen, bei wem und wie man dieses „freie Jahr“ macht. Besonders wenn es ins Ausland geht, stößt man auf viele unseriöse bis unsinnige Angebote. Deswegen bewerbt euch unbedingt bei  JesuitVolunteers

 

 

 

Hatte das Jahr Auswirkungen auf deine Berufswahl?

 

Puuuuuh, noch stecke ich ja im ungemütlichen Prozess des Wählens! Vor meinem FSJ wollte ich politikbegeistere Journalisten werden, manche würden sagen Gesinnungstäterin. Am Ende habe ich mich für ein Studium der Politik- und Geschichtswissenschaften entschieden – wo mich das hinführt? Keine Ahnung. Zumindest nicht zwangsläufig in den Journalismus, vielleicht auch in die Entwicklungshilfe? Sollte es aber mit dem Studium nicht klappen, dann kann ich mir gut vorstellen, als Krankenschwester in der Palliativmedizin zu arbeiten. Entscheidungsfreudiger bin ich nicht geworden, aber ich habe eine Vorstellung, wie ein Pflegeberuf aussieht.

 

 

 

Das war es schon, meine Freunde! Kurz und knackig.

 

Das hier ist aber kein Schlusswort, noch seid ihr mich nicht los.

 

 

Bis bald,

euer Paulinchen