10 Dinge, die wir in Deutschland von den Rumän*Innen lernen können

Hallo, ihr wunderschönen Menschen da draußen!

 

Seit beinahe einem halben Jahr bin ich nun in Rumänien, daher ist es wohl Zeit, Tacheles zu reden und handfeste Fakten auf den Tisch zu legen.  Am Anfang meines Freiwilligen Jahres hab ich euch nach euren Vorurteilen und Stereotypen über Land und Leute gefragt - es erschien mir nötig,  eine Runde Klischeebingo zu spielen.  Hier mal eine kleine Auswahl unserer Sicht auf Rumänien.

 

Schöne Frauen. Kurze Röcke. Aufdringliche Männer. Sinti und Roma. Dreck. Müll. Armut. Dracula.

 

Die arbeiten nicht gern. Ohne Korruption geht nichts. Wollen doch nur unser EU-Geld.

 

Warum ich mich gegen eine Runde Klischeebingo entschieden habe?

Die Wahrheit ist, dass hinter manchen Klischees, hinter all den Gerüchten und dummen Sprüchen ein Fünkchen Wahrheit steckt. Nicht immer. Nicht so absolut wie unser Urteil. Aber dennoch kann ich nicht bestreiten, dass die Mentalität der Bevölkerung anders ist.

Manche Vorurteile werden bestätigt, andere entkräftet. Ich möchte euch nicht vermitteln, dass alle negativen Vorurteile über Rumänien falsch sind, sondern was wir von den Menschen lernen können. Dass Rumänien positive Seiten hat, die wir vergessen – ohne die unser Bild jedoch unvollständig ist. Dass die graue Fassade der sogenannten „Blocks“ auch auf den zweiten Blick nicht strahlender wird,  aber mit den Wissen, welche herzensguten Menschen darin wohnen, an Vertrautheit und Wärme gewinnt.

Zum neuen Jahr möchte ich euch deswegen zehn Dinge mit auf den Weg geben, die wir von den Rumän*Innen lernen können!

Ich entschuldige mich im Voraus für die Essenslastigkeit dieser Liste, die zweifelsohne mehr über meine Schwächen aussagt als über das Land.

 

1. Ciocolata calda und die besten Torten

Jeder mag Heiße Schokolade – besonders in den kalten Wintermonaten. Wer von euch dieses göttliche Getränk bereits in Spanien probiert hat, weiß allerdings, dass dieser dicke dampfende Schokipudding seinem deutschen Pendant bei Weitem überlegen ist. Nach Wunsch mit Kokos, Erdbeeren oder weißer Schokolade.  Dazu gönne ich mir mit der lieben Frau K. gern ein Stück Torte, die hier meist mit einer Schicht Buttercreme versehen sind.

 

2. Zebrastreifen

Während diese fetten Streifen in Deutschland eher ein dezenter Hinweis sind, dass man hier ja mal über die Straße gehen könne, wenn man wölle und vorher ausgiebig die Verkehrslage studiert habe. Hier hingegen gehe ich strammen Schrittes und blicklos über die Straße, um den Autofahrer erst gar nicht auf den Gedanken zu bringen, dass ich an meinem Weg zweifle. Und siehe da, es funktioniert fantastisch!

 

3. Smântână

 Ich riskiere jedes Mal einen skeptischen Blick meiner Mitbewohner, wenn ich mir auf mein Essen einen gehäuften Löffel dieses Sauerrahms lade. Das Zeug gibt’s übrigens überall in 1L-Kanistern zu kaufen, so dass ich bis jetzt keine Versorgungsengpässe hatte.

 

4. Die niedlichsten Begrüßungen

Ein Schelm, wer böses denkt bei einem höflichen “Sărat mână!“ („Küss die Hand!“). Eine betagte Formel, die Respekt gegenüber einer Frau ausdrückt. In der Praxis allerdings nicht mehr umgesetzt, aber von älteren Herren gern benutzt. Zur Belustigung meiner Kolleginnen war mir die Bedeutung dieses flotten Spruches nicht klar, so dass ich einmal selbstbewusst zurückgrüßte. Der Blick war Gold wert – das schwöre ich!

 Von dem Hausmeister der Caritas werde ich keck mit „Ce faci frumoasa?“ angeredet. Zu Deutsch also: „Wie geht’s, Schöne?“. Ich denke, weitere Kommentare sind überflüssig.

 

5. Ungarisches Essen

Die Nähe zu Ungarn spüre ich vor allem aus kulinarischer Sicht. Langoș und Gogoși waren meine liebsten Magenfüller auf dem Weihnachtsmarkt und selbstverständlich verdient auch die „Tort  Dobos“ eine Erwähnung. Dieses Meisterstück aus Schokoladenbuttercreme und einer Dekoration aus purem Karamell, genieße ich sehr gern in unserem Cafe Verona am Piața Nicolae Bălcescu.

 

6. Die perfekten Worte, um deine Gefühle auszudrücken

 Die rumänische Sprache bietet eine bezaubernde Palette an Worten, deren Phonetik und Bedeutung wunderbar zusammenspielen.

 Am liebsten ist mir „Așa și așa“ (So und so), eine Wendung welche die echten Originale zusammenziehen. Ascha-scha-scha.

 „Știo“ heißt „Ich weiß.“ und wird aus purer Begeisterung von uns im Deutschen durchkonjugiert.

 Dann wäre da noch „Ioi“ – ein kurzer Ausruf der Verwunderung, des Schmerzes oder des Glücks.

 

7. Viele Second Hand Läden

Als Öko-Trulla  habe ich es leicht – doch vielleicht sollten wir unsere Second-Hand-Klamotten lieber in Deutschland behalten, anstatt sie bergeweise nach Rumänien zu verschicken. Hier ist gebrauchte Kleidung normal. Wer sich abheben will, kauft Fast-Fashion. Im Hinblick auf die Löhne sauteuer, aber schlechter produziert – das können sich große Firmen anscheinend leisten. Die Wahrheit ist, dass es unnötig ist, Kleidung neu zu erwerben. Was hier zum Symbol von Abhängigkeit wird, Teil eines gekränkten Selbstwertgefühles – ohne Zweifel berechtigt – sollte bei uns alltäglicher werden.

 

8. Salat Bowl an Nationen

Auf meiner Arbeitsstelle arbeite ich als deutsche Freiwillige mit rumänischem weltlichen Personal, den Schwestern aus der Slowakei und unserer Putzfrau aus Ungarn zusammen. Wo sich in Temeswar die Banater Schwaben tummeln, haben sich die Siebenbürgener Sachsen in Transsilvanien mit den Ungarn häuslich eingerichtet. In Dresden kreischen die Menschen vor Angst aus Überfremdung mit ihren 7,4 Prozent Anteil an Ausländer*Innen. Nicht dass es hier keinen Rassismus und keine bösen Lästereien hinter vorgehaltener Hand gibt. Doch Timisoara ist eine Stadt mit den verschiedensten Minderheiten und vielen Studenten aus Europa und Afrika. Eine Selbstverständlichkeit, die keiner in Frage stellt. Auf dem Piața Victoriei wehen die Rumänien-Flaggen im Eiswind. Beleuchtet vom gelben Dunst der Laternen. Vollkommen selbstverständlich. Ohne den Hauch einer Provokation. Ich würde mir für meine Heimat wünschen, dass wir unsere Fahne nicht den Rechten überlassen. Dass Nationalität nicht ausschließt, sondern verbindet. Die Rumänen haben gelernt, wie man friedlich miteinander lebt. Und dass niemand dafür seine eigene Kultur aufgeben muss.

 

9. Gelassenheit

 Gleichmütigkeit und Gelassenheit sind es,  die wir in Deutschland gern mit Faulheit verwechseln. Während wir gehetzt und verzweifelt versuchen, mit einem Höchstmaß an Effektivität zu arbeiten, gehen die Menschen Dinge hier entspannter an. Ohne Erwartungen.

Man versucht es halt mal. Wird schon klappen. Oder auch nicht. Kein Drama. Am Ende funktioniert dieses Konzept stets.

 

10. Humor

Zu guter Letzt und dabei handelt es sich wohl um den wichtigsten Punkt, bewundere ich den unerschütterlichen Humor der Rumänen.  Einmal frech, ein anderes Mal ironisch. Mit verschmitztem Lächeln und Zwinkern nimmt man das Leben, wie es kommt. Zweifelsohne gäbe es genug, worüber man sich beschweren könnte. Es gäbe genug Gründe, zu verbittern. Und wenn der Humor nicht ausreicht, wird ordentlich geflucht – dafür gibt es eine ausreichende Bandbreite an deftigen Schimpfworten.

 

Mit diesen Zeilen wünsche ich dir von ganzem Herzen ein frohes neues Jahr und einen guten Rutsch, mein lieber Leser!

 

Ne vedem
Pauli